Integration #49 - 14.07.2024

mir passiert es oft, dass ich Dinge und/oder Situationen unterwegs kommen sehe. Manchmal hat man Glück und die Kamera zur Hand, so dass es ein Leichtes ist, das Gesehene fix zu fixieren. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich ein wenig mit mir gerungen habe, ob ich euch dieses Bild präsentieren soll.

das Bild ist ein schönes Beispiel für eine authentische Außenwerbung in einer Großstadt. Ein Schnellimbiss auf dem Weg durch die Straßen wirbt mit erschwinglichen Preisen, die sich - man beachte a) die aktuelle Preisgestaltung und b) die ehemaligen, verwischten Preise der Vergangenheit - flexibel an die Hungergröße des Passanten anpassen. Nicht ganz klar ist die Währungseinheit in der das Entgelt entrichtet werden soll. Immerhin lässt sich schließen, dass in europäischer Währung beglichen werden darf, was einen Versuch zum Einsatz der verfügbaren Euros als glückhaft erscheinen lässt. 
Spannend finde ich den geniale Pasta-Auswahlrahmen. Man darf sich zwischen SPAGHETTI und FUSILLI entscheiden. Die Spaghetti werden aktuell mit Bindestrich Bolognese serviert odar man kann auf Fusilli umsteigen. Für diese Variante wird derzeit konkret eine Gümüse Soße Champign als Sugo für die Nudeln angeboten. Die Soßen-Kreation-Beschreibung vermittelt bereits den hervorragenden Geschmack eigener hausgemachter Soßen. Über die Lautsprache wird die Kreation orthografisch strukturiert und pragmatisch an den zur Verfügung stehenden Platz auf der Werbetafel angepasst. Hervorragend. Hier kann man sicher sein, dass man genau das angebotene Essen schmackhaft und frisch zu bereitet erhält. Strategisch geschickt und optisch als Eye-Catcher fungiert die im Hintergrund platzierte Werbetafel in den Alarmfarben rot-weiß-grün. Da weiß jeder wo Italien zu Hause ist. Wobei man sich schon mal fragen darf, wie diese Hühner mit solchen Brüsten noch laufen konnten. Vorsicht - hier werden ganz üble Gedanken induziert!
Auch die kleinen Attribute wie Graffiti und Hunde-Pippi unterstreichen den städtischen Charakter des Speiseangebots. Nebenbei habe ich mich gefragt, welcher Hund mittlerweile in der Lage ist (KI?), statt der üblichen Pinkeleinen seine Nachrichten per Lackmarker auf den Haussockel zu kritzeln. Jedenfalls ist die Message der fellbesetzten Brüder und Schwestern auch nicht so dramatisch unterschiedlich von denen der Zweibeiner.
Insgesamt gesehen findet sich im Bild eine ganz wundervolle Integration verschiedener städtischer Elemente wieder, oder?

So manches schöne Bild ich fand,
am Straßenrand.

Augen in der Großstadt - Kurt Tucholsky (1890 - 1935)

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das? vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hasts gefunden,
nur für Sekunden...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück...
Vorbei, verweht, nie wieder.

Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

(C) 2024 Bild und Text by Werner