BildGedanken #3
Wall-Street
Auf dem Weg durch die Straßen des kleinen Ortes fiel mir neulich dieses Bauwerksdetail im Sockelbereich eines alten Nebengebäudes auf. Wie so oft, fotografierte ich ein mir spannend erscheinendes Detail im Vorbeigehen. Wieder zu Hause und am PC sehe ich viele Details, die das Kopfkino anwerfen. Das Bild schicke ich einigen Freunden mit der Bitte ein kleines Feedback zu senden.
Die Reaktionen sind erstaunlich und veranlassen mich das Bild wieder näher anzuschauen.
Wie finde ich den Einstieg?
Vielleicht so:
Wir sehen den Ausschnitt einer Mauerwerkswand aus Ziegelsteinen mit Mörtel in den Lager- und Stoßfugen zwischen den Steinen. Die Steine liegen auf einem Holzbalken, augenscheinlich ein sehr alter und verwitterter Holzbalken aus Eiche. In dem Balken stecken Nägel. Krumm und schief. Verrostet und abgezwickt. Einzeln und in Gruppen. Gezogen und gestauchte Drahtstifte, einer sieht geschmiedet aus. Das gesamte Ensemble ist verwittert und alt. Der Fugenmörtel ausgewaschen und spröde.
Das ist das Bild im ersten Anschauen und jetzt kommt der Kopf, die Gedanken, das Erinnern.
Die Ziegel sind handgeformt und kleinformatig, so wie sie zu Anfang des letzten Jahrhunderts auf Mauerertragen über die Gerüste und im Bauwerk vermauert wurden. Der Mörtel ist hell und ausgewaschen. Zement dürfte hier eher nicht verwendet worden sein. Alter Kalkmörtel in der handwerksüblichen Mischung nach Raumteilen. Eine bis zwei Schippen Branntkalk auf sechs Schippen Sand. Wasser nach Bedarf, bis die Mischung glatt und satt von der Kelle rutscht. Geschmeidige Mischung für die Ausfachung des Fachwerks aus Eiche. Eiche als Schwelle. Hält, ewig. Später kommen die Nägel. Wozu? Vielleicht für die Ranken? Vielleicht für die Schnüre der Bohnenranke oder die Himbeeren?
Hinter der Mauer, zuerst die Scheune für das Stroh der Kühe. Dann auch die Schweine. Später kamen dann die Hühner und die Enten in das neue Abteil hinter der Wand mit freiem Auslauf in den Garten, auf den Weg. Den geschmiedeten Nagel hat damals Franz eingeschlagen, als er fünf war und gerade den Zimmermannshammer halten konnte. Den Nagel hatte er zuvor voller Stolz aus einem alten Balken mit dem Hammer gezogen. Und an den Nagel hatte er seine Mütze gehängt. Wie Großvater, wenn er sich zum Essen ins Haus begab. Lange her.
Heute gibt´s noch den Nagel von Franz und den uralten Balken mit den alten handgeformten Ziegeln und dem ausgewaschenen Mörtel an der alten Scheune am Straßenrand.
Oder gibt es noch eine ganz andere Geschichte hinter dem alten Fachwerk? Vielleicht, wer kann das wissen!
