DGdeS #5 - Im Ansitz
Jetzt, aus der Vogelperspektive mit Ausdruck des Online-Kartendienstes, nahm meine Idee richtig Gestalt an. Eigentlich wollte ich mir ja zunächst erstmal einen Überblick über das Gelände verschaffen und schauen aus welcher Richtung dieses wahnsinnig hohe Pfeifen gekommen sein könnte. Das es nicht der perlgraue Wiesenpfeifer gewesen war oder der Rattenfänger von Hameln, hatten wir schon.
Der erste Bildausschnitt wahr nicht sehr zufriedenstellend. Zu groß bzw. zu weit weg, zu ungenau und wenig erhellend. Da musste etwas mehr herangezoomt werden und mit dem Zoomen griff ein Gedanke Raum, die mir sehr verlockend für die Klärung meiner Fragen erschien.

Es musste doch irgendwie möglich sein, die Gegend persönlich, live und ziemlich unbeobachtet zu beobachten. Am besten zu verschiedenen Tageszeiten und an verschiedenen Tagen. Natürlich möglichst trocken und wettergeschützt.
Bei der Luftbildauswertung fiel mir denn auch ein kleines Quadrat am Wegesrand ins Auge, dass nach Lage und Größe einen guten Ausgangspunkt für mein Vorhaben darstellte.

Den ScreenShot auf den Tourenplaner im Streichelphone (abgekürzt SP, sprich: essPI) übertragen und los in Richtung Zielgebiet war eins.
Ein Vorteil der kleinen SPs ist die relativ genaue GPS-Ortung. Und siehe, kaum erreichte ich den Waldrand und hatte freie Sicht über den Acker, konnte ich das Quadrat als einen mobiler Ansitz identifizieren. Das wars doch! Das war genau das richtige Teil für mein Vorhaben.

Am nächsten Tag, es war ein Montag, wollte ich in der Früh den ersten Beobachtungsversuch wagen. Am Zielort angekommen musste ich allerdings feststellen, dass um 4:38h ein unbemerktes Einsteigen in mein Kabäuschen nicht möglich war. Um diese Uhrzeit war bereits ein Jogger-Pärchen unterwegs. Wahnsinn, wohin der Sport Menschen treiben kann. Mitten in der Nacht auf zu stehen, sich Hemd und Hose sowie Sportschuhe anzuziehen und nüchtern im Schweiße des Angesichts über den Acker rennen. Ich hatte ja wenigstens einen guten Grund. Nun gut - wir vertagten das Ansinnen auf später. Auf jeden Fall saß ich an diesem Tag recht früh am Schreibtisch und war bereits am Mittag soweit mit den Aufgaben durch, dass ich mir bei einem wunderhübschen Espresso flauschige Gedanken über einen neuen Versuch machen konnte.
Den zweiten Versuch startete ich dann einen Tag später und hatte ziemlich Erfolg. Vielleicht war es in der Tat besser, wenn ich etwas später, wie jetzt so um 5:30h bei den "Frühbeobachtungen" loslegte. Dann waren die Jogger hier durch, die ersten Werktätigen bereits auf dem Weg zur Arbeit und die Bauern noch nicht auf dem Acker. Und ich konnte zudem noch ein bisschen länger in der Heia bleiben.
Das Hüttchen war ziemlich zweckmäßig eingerichtet. In der Mitte war praktischerweise ein Drehschemel montiert, so dass man wie auf einem Drehsessel fix die Beobachtungsseiten wechseln konnte ohne zu fuhrwerken. An jeder Seite und sogar an der Türinnenseite waren Ablagen befestigt. So musste ich die Kamera nicht ständig in der Hand halten und konnte mich auf die Umgebung konzentrieren. Es bisschen schlecht war dagegen die Belüftung der Aussichtsschatulle. Die Tür konnte ich nicht offenlassen und nach drei Stunden mit schussbereiter Kamera in dem Kabäuschen hatte ich einfach genug. In der Hütte war die Luft verbraucht und nichts hatte ich außer fünf Rehen, sechs Hasen und dem müden Fuchs - der hatte ewig am Wegesrand gesessen - gesehen. Und gehört hatte ich auch nichts. Immerhin konnte ich einen schönen Sonnenaufgang beobachten und war trocken geblieben, obwohl es zwischendurch mal kurz geduscht hatte.
Einen weiteren Anlauf startete ich dann drei Tage später, am Freitag der Woche um 20:00h. Den Tag und die Uhrzeit hatte ich anhand des Bundesliga-Spielplans ausgetüftelt. In der Hoffnung, das alle Welt außer mir zuhause am Bildschirm sitzen würde und ich in Ruhe die Gegend um meinen Ansitz herum beobachten und belauschen konnte.
Und tatsächlich! Auch andere waren wohl auf die gleiche Idee wie ich gekommen. Bereits nach einer dreiviertel Stunde im Kabäuschen, so gegen dreiviertel neun, kam Leben auf den Acker.
Südlich von meinem Versteck verlief ein asphaltierter Feldweg von der Bundesstraße abzweigend zwischen den Feldern hindurch zum nächsten Dörfchen. Davon zweigte nach ca. 100m ein weiterer Feldweg, diesmal in Beton gegossen, in Richtung Wald ab. An diesem Betonweg lag eine kleine, aus Ziegelsteinen gemauerte Hütte. Eine Außenwand war eingedrückt worden oder der Wand fehlte die Tür. So bot diese Öffnung einem Busch genug Halt, Behausung und Schutz gegen Wind und Wetter. Das Tor oder dessen Reste auf der Giebelseite zum Weg, war um einen großen Spalt geöffnet. Vor diesem Tor stand jetzt ein Trecker mit Anhänger. Vier oder fünf Gestalten, so genau konnte ich das bei dem letzten Licht nicht mehr erkennen, machten sich auf der Ladefläche zu schaffen. Zwei Mann bewegten sich auf der Ladefläche rasch gebückt hin und her und warfen irgendetwas paketähnliches den Untenstehenden Typen zu. Was dort zugeworfen und in die Hütte geschleppt wurde konnte ich nicht identifizieren. Irgendwie flache Pakete waren es auf jeden Fall. Und leider konnte ich aufgrund der Entfernung nichts hören. Höchst spannend das Ganze. In weniger als einer halben Stunde war die Sache erledigt und das Gespann zog seines Weges und zurück zur Straße.
Sicherheitshalber wartete ich noch zehn Minuten und schlich dann in der Dunkelheit von dannen. Der nächste Einsatz war jetzt klar: Ich musste wissen, was es in dem kaputten Hüttchen gab.
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