DGdeS #11 - Der Tunnel
Nach unserem Zwischenruf sind Monate vergangen. Die Recherchen haben uns auf Wege geführt, die wir nie gedacht oder geschweige denn auch nur geträumt hätten.

In der näheren Umgebung der einsamen Scheune gab es eine weitere bauliche Installation ähnlicher Bauart, die zwar bei unseren Beobachtungen bereits aufgefallen war, der wir aber bis dato kein verschärftes Augenmerk geschenkt hatten. Das Bauwerk war etwas kleiner, etwas weniger gepflegt, mehr gebraucht und sah abgenutzt aus. Quasi ein Steinhaufen auf Abruf. Aber bei näherer Betrachtung fiel auf, dass die Laufrollen des Tores blank und gut geschmiert waren. Die Torgriffe waren festverschraubt und zeigten nicht den üblichen Moosbelag. Alles deutete daraufhin, dass hier noch aktives Leben statt fand.
Die Beobachtungen über die vergangenen Monaten hatten mich gelehrt extrem behutsam vorzugehen, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben. So wartete ich immer bis in die frühen Abendstunden, um Anfang Mai einen ersten vorsichtigen Erkundungsversuch zu unternehmen.
Als ich vor dem Tor stand konnte ich sehen, dass im Schließpfosten ein Schloss eingelassen war, welches das Tor verriegelte. Allerdings war hier nur ein einfaches Bartschloss eingebaut worden. Mit einem kräftigen Draht, elegant gebogen, war der Widerstand schnell überwunden und das Tor entriegelt. Jetzt war extreme Vorsicht geboten, denn was jetzt kam war mit dem schlichten Begriff >Einbruch< gut beschrieben.
Leise schob ich den linken Torflügel zur Seite. Die Torrollen lieferten ein leises metallisches Ruckeln, liefen aber gutgeschmiert auf der Schiene. Nachdem ich den Flügel etwa schulterbreit aufgeschoben hatte, schlüpfte ich fix hinein und knipste die Taschenlampe an.

Direkt vor mir war eine Eisenplatte im Boden eingelassen worden. Kurz die Platte anheben und hineinleuchten war eine Sache von Sekunden. Der darunterliegende Schacht war etwa zwei Meter tief und endete auf einem nassen Betonboden. In die Wand waren unter der Deckelplatte Steigeisen eingelassen worden.
Die Neugier packte mich jetzt vollends und ich schloss flugs das Tor, stieg die Eisen hinab und legte noch den Deckel auf. Ich stand jetzt auf dem nassen Beton und leuchtete die Einstiegskammer ab.
In der Ecke gegenüber stand ein Einkaufswagen mit einem grünen Plastikeimer. Rechts davon war eine Schiebtür in die Wand eingebaut, die ohne Schloss aufzuschieben war.

In dem Eimer befand sich eine wasserklare Flüssigkeit, die einen stechenden, leicht nach Ammoniak riechenden Duft verbreitete. Warum hatte hier jemand einen Einkaufwagen deponiert, in dem er Plastikeimer mit Jauche spazieren fuhr?
Wieso hatte diese Scheune einen Schacht mit einer Tür zu weiteren unterirdischen Gelassen?
Was lief hier für ein Film?
Für heute hatte ich erstmal genug und wollte meinen ersten Einbruch nicht überstrapazieren. So krabbelte ich wieder aus dem Schacht, schlüpfte aus der Scheune und verriegelte das Tor wieder ganz fein und machte mich auf den Weg nach Hause.
Es war klar, dass hier weitere Erkundungen zu tätigen waren und ich bestimmt nicht das letzte Mal in diese Scheune "eingebrochen" war. Allerdings war das Schloss auch schon eher eine Einladung als eine Herausforderung.
Am nächsten Abend machte ich mich wieder auf den Weg und nach wenigen Handgriffen war ich im Schacht und kletterte zum Schiebetor des Eingangs in die Unterwelt. Vorsorglich hatte ich mich mit ausreichend Lichtlampen ausgestattet. Nach dem Schiebetor betrat ich einen Tunnel und staunte ich nicht schlecht.
Im Lichtkegel meiner Lampen konnte ich das Ende des Tunnels nicht erkennen. Der Gang selbst war trocken und roch nur schwach modrig. An den Wänden und der Decke, die, wie der Boden aus Beton waren, verliefen in trautem Nebeneinander Kabelpritschen und Rohrtrassen. Das Ganze machte einen eher stillgelegten Eindruck. Kein Geräusch war zu vernehmen. Ganz im Gegensatz zu den Geräuschen, die die Suche nach der Quelle des Ursprungs erst ausgelöst hatte.
Langsam und vorsichtig ging ich den Gang weiter und machte eine weitere erstaunliche Entdeckung. In einer langen Nische und in Tonnen mit Plastiksäcken lagen leere Getränkedosen zu tausenden. Hier musste eine rauschende Party stattgefunden haben.

Vornehmlich fanden sich leere Dosen verschiedener Energydrinks. Die Menge des Dosenmaterials konnte leicht für ein kleines Leichtflugzeug ausreichend sein. Mit dem Pfand der leeren Plastikflaschen ließ sich mühelos ein Gebrauchtwagen finanzieren.
Schwer beeindruckt ging ich weiter und fand auf der rechten Seite des Tunnels eine Tür, die in ein Nebengelass führte. Auch diese Tür war unverschlossen und ließ sich spielend leicht ohne ein Geräusch öffnen.
Was ich jetzt sah verschlug mir die Sprache:

Auf rechten Seite fand ich die Regalreihen mit tausenden Tellern und Tassen bestückt.

Mit diesen Mengen konnte ein ganzes Batallion versorgt werden. Nur wo waren hier die Räume in denen dieses Geschirr benutzt werden konnte? Wo war die Küche? Was war hier im Untergrund unter der einsamen Scheune am Rennen?
Wie bis jetzt jedes Mal traf ich mit jeder neuen Entdeckung nur wieder auf neue Fragen.
Der Tunnelgang verlief noch weit über den Seitenraum hinaus ins Dunkle. Aber nach einem Blick auf die Uhr sah ich, dass es Zeit für den Rückweg war.
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