Der schöne Sven

Aufgrund der momentan großen Auftragsdichte haben sich Willi und Hermann die Außeneinsätze aufgeteilt. Nach dem uns in der Redaktion eine aufsehenerregende dpa-Meldung über den Ticker (ja, wir nennen das Ding immer noch so!) hereingekommen ist, stieg Hermann sofort in die Schuhe und hat sich auf den Weg in die Eifel gemacht. Hier sein Bericht:

In der dpa-Meldung stand:

"Sven gewinnt den Preis für den schönsten Jungbullen"

Klar, dass diese Meldung endlich mal etwas Abwechslung in den schnöden Reporteralltag bringen konnte. Zuerst hatten wir gedacht, dass es sich um einen gewissen Satirebeitrag der dpa gehandelt hätte und mit der Meldung die Prämierung eines jungen Polizisten bei der Teilnahme an einer Schönheitskonkurrenz gemeint war. Ein kurzes Telefonat von mir bei der dpa hat die Sache aber schnell korrigiert.

Ich machte mich nach dem Telefonat auf den Weg zu dem Bauernhof >Weideglück< in der Nähe von Reifferscheid, Svens derzeitigem Wohnstall, und überlegte mir, wie spreche ich einen Jungbullen an, der einen Preis für bestes Aussehen gewonnen hat. In meinem langen Reporterleben hatte ich schon Interviews mit allem und jedem Möglichen geführt. Aber ein veritabler Jungbulle war noch nicht dabei gewesen.

Als ich auf dem Hof eintraf wurde ich ganz herzlich vom Jungbauern Fritz empfangen. In Vorbereitung des Interviews gings zuerst in das Wohnhaus und sofort in die geräumige Wohnstube.
Dort durfte ich als Willkommensgruß zunächst Eifeler Spezialitäten aus lokaler Produktion testen. Sprich, erstmal was Gescheites essen und trinken, damit die Berichterstattung fundiert erfolgen konnte.
Los ging´s mit dem >Eiermösch< als kleinem Küchengruß. Was komisch klingt, ist ein ganz deftig gebratener Brotbelag aus Speck, Eiern, Mehl, Milch und natürlich Zwiebeln und Knoblauch. Als Feinschliff hatte Fritz eine Chilischote (die mit 10.000 Scoville) untergemischt. Das war ein Fest für die Geschmackspapillen und bereitete neben Durst, ganz prima den nächsten Gang vor.
Sozusagen als Zwischengas kam als Fortsetzung der lukullischen Genüsse eine kräftige Portion >Döppekooche<.
Wie man dem Namen nach vermutet, besteht die Speise aus einer Art im Topf gebackenem Kuchen. Das Besondere ist, dass hier Kartoffeln mit Äpfeln schichtweise mit Mettwurstscheiben unter- und zwischengelegt gebacken wurden. Quasi Eifeler-Lasagne. Dazu gab´s ein lecker Bierchen.
Im Hauptgang hatten wir dann die >Ferkesbuchrouladen< an deftigem Sauerkraut und cremigem Kartoffelpüree. Joa, mit einem lecker Tröpfchen Wein von der Mosel.

So gestärkt, kam ich dann kaum noch hoch, um meinem eigentlichen Ansinnen nachzugehen. Ich wollte eigentlich nur Sven sehen.

Wir standen also von der Tafel auf und gingen quer über den Hof. Fritz ging, ich sprang. Bevor wir das Haus verlassen hatten, war Fritz in Stiefel gestiegen. Ich hatte meine neuen Sneakers an. Und gestern war ein kräftiger Regenguss über der Eifel niedergegangen und hatte die gepflasterte Hoffläche geflutet. Zwischen Kuhfladen und Mist existierten noch vereinzelte Wasserpfützen in der Fläche auf dem Weg zum Kuhstall. Dementsprechend sprang ich im Zickzack von trockener Insel zu trockener Insel. Leider waren einige Inseln von Fladen belegt, denen ich versuchte durch Spitze-Hacken-Tricks auszuweichen. Mit sehr mäßigem Erfolg. Meine Sneakers sahen am Stalltor sehr mitgenommen aus. Allerdings hatte Fritz seine Freude und ein fröhlicher Bauer ist ein freundlicher Geselle, gelle?

Sven´s Kosmetikstudio 

Im Torbereich hing an der Wand eine Art Teilstück von einer Autowaschanlage. Auf Nachfrage wurde mir von Fritz berichtet, dass dieses Gerät die Ursache für den Preisgewinn von Sven sei.
Durch leichten Druck gegen die Bürste wird der Mechanismus in Gang gesetzt. Mit leichter Rotation dreht sich die Bürste und schubbert so den Dreck von den Rindviechern. Die Tiere, so Fritz, gewöhnen sich regelrecht eine regelmäßige Reinigung nach dem Weidegang an und jedes hat da seine speziellen Techniken entwickelt. 
Manche beginnen am Achtersteven mit Zwischenreinigung unter der Dusche (rechts am Bildrand), andere wiederum pflegen erst die Back- und dann die Steuerbordlängsseite des Rindviechs. Oder - wie Sven.
Sven beginnt zunächst vorne links und läuft längs durch, dreht sich dann auf vorne rechts und läuft wieder einmal längs. Dann hinten, dann Dusche und dann folgt die Hauptnummer.
Hierbei steht Sven mit gesenktem Kopf unter der Dusche, wechselt dann mit Seitschritt zur Bürste und lässt sich erst links, dann rechts den Kopf durchbürsten. Zum Abschluss tritt er eine Schritt zurück und lässt sich elegant das Haupthaar und die Augenbrauen aufbürsten.
Während dieser Beschreibung bekam Bauer Fritz bei der Erzählung vor Begeisterung rote Bäckchen und wir schritten nun langsam zur Box von Sven.  

Der schöne Sven

Und - was soll ich euch sagen Kinder. Ist er nicht wirklich ein Prachtkerlchen unser Schöne Sven!?
Natürlich haben wir ihn gerade bei der mittäglichen Nahrungsaufnahme erwischt und so konnte ich dieses prachtvolle Porträt aufnehmen. 
Aufgrund der Nahrungsaufnahme musste das Interview leider ausfallen. "Denn", so erläuterte mir Fritz, "Sven spricht nicht mit vollem Maul!"
Und anschließend stand das Sportprogramm auf der Weide mit abschließendem Wiederkäuen an.
Bauerhof >Weideglück< eben.
Dennoch war ich wirklich schwer beeindruckt, wie selbst Rindviecher mit modernster Technik durch einfache intuitive Anwendung der Geräte ihren Körper attraktiv pflegen und gestalten können. Bravo, Sven!

Abschließend führte mich Fritz noch durch seine übrigen Stallungen und erzählte auch begeistert von den Zuchterfolgen mit seinem Eber Freddy. Aber diese Geschichte wurde mir dann etwas zu delikat und ich verabschiedete mich mit vielen neuen Eindrücken, vollem Magen und schrottigen Sneakers aus der Eifel. 

(C) 2023
Bildmaterial by Hermann
Bildbearbeitung, Recherche und Text by Werner