Der BUHU

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es sieht so aus als ob es Frühling werden will. Woran man dies festmachen kann? Nun, Willi ist wieder lebendiger unterwegs. Jetzt lugt er alle paar Tage in die Redaktion und senkt die Bestände bei Tee und Kaffee in unglaublicher Geschwindigkeit. Natürlich nicht ohne durch seinen berüchtigten Rollgriff eine fürchterlich tiefe Schneise in der Schale mit den Doppelkeksen zu hinterlassen. Wir kennen niemanden mit dieser Schlagzahl. 
Aber dafür liefert er uns immer die fantastischsten Geschichten für diesen Blog. So auch diese News.

wie ihr wisst, war ich ja neulich wegen Akkerroll unterwegs. Auf dem Rückweg fuhr ich mit dem Wagen vom Feldweg am Waldrand entlang, da traf ich zufällig Paule Förster, der eigentlich Bernward Habedank heißt, was bei der Anrede eines Försters immer etwas doof klingt und er lieber Paule gerufen werden möchte. Also, ich hatte Paule am Weg getroffen und er tat ziemlich geheimnisvoll. Auf die Frage, warum er denn so flüstere, antwortete er so leise, dass ich den Motor abstellen und die Hand hinters Ohr legen musste: "Hi Willi, wenn du mal den BUHU in freier Wildbahn fotografieren möchtest, so kannst du dies jetzt tun." Dabei hob er ganz langsam den linken Arm und deutete mit dem Daumen auf einen Baum hinter sich. "Da sitzt ein sehr seltenes Exemplar des fast ausgestorbenen BUHU. Wenn Du jetzt langsam die Kamera hochnimmst und über meine linke Schulter zielst, müsstest du ihn sehen." Ich nahm die Kamera, die, wie ihr wisst, bei mir immer griffbereit ist, hoch und - tatsächlich, da saß im Baum eine Art Eulenvogel mit offenen Augen und blickte genau in die Linse. Schnell, zwei, drei, Schnappschüsse und der Vogel war im Kasten.

Zu Paule sagte ich: "Steig ein und erzähl mir was über den Vogel." Paule kam um den Wagen rum und setzte sich auf den Beifahrersitz und ich fuhr Richtung nächstes Café an der Strecke. Im Café angekommen, erzählte er mir dann über den BUHU.

"wie der artverwandte Bubo Bubo, der gemeine Uhu, findet sich der BUHU - ebenfalls ein Mitglied aus der Familie der Strigidae, den Eigentlichen Eulen -  allerdings nur in Bäumen und nicht auf diesen. Auch meidet er Hecken und Sträucher aufgrund deren Astigkeit. Bei der Standortwahl ist er dementsprechend wählerisch, auch deshalb, weil er maximal nur zwei- bis dreimal im Laufe seines Lebens einen Standort wechselt. In aller Regel bevorzugt er relativ freistehende Bäume, die mindestens ein Alter von 30 bis 40 Jahren aufweisen. Dort ist er standorttreu und verlässt seinen Wohnbaum nur zur Paarung und zum Wechsel des Gefieders. Beute schlägt er durch ein pfeilschnelles Vorschnellen aus dem Bau. Den Fang zieht er in die rückwärtige Wohnhöhle, der dort zerlegt und verzehrt wird. Unverdauliches wie Haare, Horn oder Mikroplastik, wird als Gewölle ausgespien."

"Apropos Mikroplastik", unterbrach Paule, "Du weißt, dass Feinstaub die Lunge und andere Organe schädigen kann. Zum Feinstaub gehören auch ganz kleine Kunststoffteilchen wie Mikroplastik. Die kleinsten dieser Partikel messen einen millionstel Meter. Bei Mäusen hat man nachgewiesen, dass die Fresszellen, die Abwehrzellen im Blut die Hirngefäße der Mäuse verstopfen können, wenn Mikroplastik z.B. über das Trinkwasser ins Blut gelangt. Die Abwehrzellen werden durch den sperrigen Inhalt relativ groß und unbeweglich. Sie sind nicht mehr so weich. Die Folge: Sie zwängen sich sehr langsam durch die kleinen Hirngefäße der Maus oder bleiben sogar darin stecken mit der weiteren Folge, dass sich die Tierchen schlechter orientieren konnten, langsamer wurden und sich von der Gruppe entfernten. Alles klassische Anzeichen einer Depression. Tja, und wenn Du fragst, wie das Plastik in die Mäuse kommt: Geh´ mal im Wald spazieren und sammele mal alles Plastik auf, was Du so findest. Aber ich schweife ab.

Den Namen trägt der BUHU übrigens wegen seines typischen Rufs, der sehr klar in einem langgezogenem Buhuuu Buhuu erklingt. Männliche und weibliche Tiere sind dabei nach Tonlage und Lautstärke nicht zu unterscheiden."

"Paule", sagte ich ,"jetzt erkläre mir bitte, wie dieser Vogel fliegen kann. Hier auf dem Bild", ich zeigte ihm die Aufnahme des BUHU in der Kamera, "hat der Vogel Baumrinde als Federn."
"Das ist ja das Fantastische und Faszinierende bei diesem Raubvogel", antwortete Paule. "Durch eine Art Sublimation, dem Aggregatübergang zwischen zwei physikalischen Zuständen ohne Zwischenstufe - die genauen chemischen und physikalischen Vorgänge sind leider noch nicht vollständig erforscht - verändert sich das Protein im Kreatin der Federn in Lignin und bewirkt so die Verholzung der Federn. Interessanterweise wird dabei die Rindenstruktur des Wohnbaumes farblich und strukturell vollständig übernommen. Der BUHU verschmilzt quasi mit seinem Wohnbaum. Der ganze Vorgang dauert dabei weniger als 1,78 Sekunden. D.h., sieht der BUHU ein Beutetier, wie beispielsweise ein Eichhörnchen, Maus oder andere Beute, ist der Vorgang in der gleichen Zeit reversibel und der BUHU flugfähig."
"Schön, und wieso ist der Vogel fast ausgestorben, obwohl er diese fantastischen Fähigkeiten besitzt?"
"Tja", gab Paule zurück, "der BUHU erkennt leider nicht, wenn wieder einige Waldbauern mit ihren Kettensägen anrücken. In diesem Fall verfällt er in eine absolute Starre, die ihn extrem schwer unterscheidbar von einer gewöhnlichen Baumrinde macht. Wird der Baum gefällt - bautz - ist es aus mit dem BUHU. Insofern hattest Du vorhin ein saumäßiges Glück, dass Du ihn auf der Lauer mit offenen Augen erwischen konntest."  

Nachdenklich schlürfte ich an meinem Cappuccino und blickte Paule von der Seite an. Ein spöttisches Zucken seiner Mundwinkel über seiner Kaffeetasse ließ Zweifel aufkommen, ob hier alles Tatsache oder wieder nur eine von seinen Habedank´schen Jägerlateingeschichten war. 

 

(C) 2025 Bild by Willi und Text by Werner