Flashback

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hatte ich es schon berichtet, dass wir neulich die Küste im Bereich von Timmendorfer Strand besucht hatten? Ja, und bei der Gelegenheit durften wir die Fertigstellung der neuen Seebrücke erleben.

Als ich so stand und schaute, kam mir von rechts aus Richtung Niendorfer Hafen ein Boot ins Gesichtsfeld, das mir sonderbar bekannt vorkam.

das Boot schob sich ins Bild und drehte leicht in Richtung Ufer bei. Am Bug war klar zu lesen, was ich kaum glauben konnte: >SEELÖWE<.
War das der Seelöwe, mit dem wir damals als Kinder während der Ostseeurlaube auf Butterfahrt gegangen sind? Die Gaudi für einen Pfennig?
Eine kleine Internetrecherche ergab, dass der Seelöwe 1944 gebaut wurde, aber erst nach Kriegsende in Dienst gestellt wurde und seither in der Lübecker Bucht mit Heimathafen Niendorf herumschippert.

Es ist schon erstaunlich, wie sich Bilder mit Emotionen verbinden und im Gedächtnis über Jahrzehnte speichern können. Man sieht das Bild und sofort sind die Gefühle und Eindrücke von damals wieder körperlich vorhanden. So der Seelöwe und die Butterfahrten, die wir damals für einen Pfennig machten. Hier gab es dann an Bord auch Butter zu kaufen, aber viel wichtiger war der Klönschnack und das zollfreie Einkaufen von Tabakwaren und Alkohol. Aber auch Leckereien wie Schokoladen und die dänischen Fruchtschlangen waren zu haben. Für den Verkauf musste sich das Boot außerhalb der Dreimeilenzone befinden, die sich offensichtlich je nach Ebbe oder Flut, mal näher oder weiter von der Küste entfernt befand. Manchmal dachte ich, wenn der Kahn jetzt absäuft, kann ich auch noch an Land schwimmen.

Herrlich auch die Geschichten, die passierten. Zum Beispiel die Anekdote, die erzählt wurde von der liebenswürdigen älteren Dame, die dem Steward immer wieder Haselnüsse anbot. Als er fragte, woher sie denn die Nüsse hätte, antwortete die Dame: "Ach wissen Sie junger Mann, wir sitzen dahinten an Backbord und essen die Ferrero Rocher, die wir hier gekauft haben. Aber die Nüsse sind uns zu hart!" 

Herrlich auch die Geschichte, von dem achtjährigen Kind, welches vom Zoll angehalten wurde und dem der Zollbeamte neben einigen Paketen mit Zigarren und Zigaretten, auch zwei Flaschen Schnaps aus der Kleidung zog. Auf die Frage des begleitenden Vaters, wie der Beamte dies bemerkt hätte, teilte ihm dieser mit, dass das Kind vor der Fahrt wesentlich dünner gewesen sei und keinen schweren Gang gehabt hätte.

Ja, das sind die Geschichten, die aufkommen. Neben den Geschichten auch der Geruch von Sonnencreme und Dieselöl, gemischt mit leichtem Bier- und Alkoholdunst, angereicht mit Seeluft. Das alles wurde nur mit dem Bild des Seelöwen prompt aus der Erinnerung und den Tiefen des Gedächtnisses herausgehoben.

Noch eine nette, ganz aktuelle Geschichte:
Der neue Seesteg in Timmendorfer Strand hat zwei Anleger. Der westliche für Sportboote, der östliche, näher zum Strand liegende Anleger, für die Küstenfährschiffe wie den Seelöwen.
Nur - die Küstenschiffer weigern sich den neuen Anleger anzufahren, da sie befürchten bei auflandigem Wind oder Strömung gegen den Strand gedrückt zu werden. Wie konnte das passieren?
Die Verwaltung sagt: Die Schiffer waren bei der Planung eingebunden und hätten nix dagegen gehabt.
Die Schiffer sagen: Schon, nur hat man uns dann, als es ans Bauen ging nicht mehr gefragt.
Die Verwaltung sagt: Die alten Fischer sagen, dass man ohne Probleme dort anlegen könnte. Die jungen Schiffer müssten es nur mal versuchen.
Die jungen Schiffer sagen: Nee, baut den Anleger für uns auf die andere Seite, dann legen wir an.
Die Verwaltung sagt: Nee, das kostet mindestens 200.000 Euro und die haben wir nicht.
Ende.

An manchem Bilde klebt,
ist das
was man so fühlt und auch erlebt.
Oft schön und heiter
lebts Leben sich so immer weiter.

Der Handstand auf der Loreley - Erich Kästner (1899 - 1974)

Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen,
ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen,
wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen,
von blonden Haaren schwärmend, untergingen.

Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen.
Der Rhein ist reguliert und eingedämmt.
Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen,
bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.

Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage
noch manches, was der Steinzeit ähnlich sieht.
So alt ist keine deutsche Heldensage,
daß sie nicht doch noch Helden nach sich zieht.

Erst neulich machte auf der Loreley
hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand!
Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei,
als er kopfüber oben auf der Wand stand.

Er stand, als ob er auf dem Barren stünde.
Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen.
Man fragte nicht: Was hatte er für Gründe?
Er war ein Held. Das dürfte wohl genügen.

Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine.
Da trübte Wehmut seinen Turnerblick.
Er dachte an die Loreley von Heine.
Und stürzte ab. Und brach sich das Genick.

Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen.
Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt.
Ein Augenblick mit zwei gehobnen Beinen
ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt!

P.S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen:
Der Turner hinterließ uns Frau und Kind.
Hinwiederum, man soll sie nicht beklagen.
Weil im Bezirk der Helden und der Sagen
die Überlebenden nicht wichtig sind.

(C) 2025 Bilder und Text by Werner