Leben aus Vergänglichkeit

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nein, es war nicht das beste Wetter. Und es war auch nicht geeignet viele schöne Bilder zu machen. Aber es gibt immer etwas zu entdecken. Das heutige Bild hat mich auf dem Hinweg inspiriert und auf dem Rückweg habe ich es mitgenommen.

Leben aus Vergänglichkeit

Auf verwittertem Holz, das die Jahre gezeichnet haben, entfaltet sich ein stilles Wunder: Wie gefrorene Wellen breiten sich unzählige Pilze über die raue Oberfläche aus, ein organischer Teppich in Braun und Bernstein, gesäumt von cremefarbenen Rändern, die im Licht zu leuchten scheinen.

Jeder Fruchtkörper eine Welle, jede Welle ein Atemzug der Natur. Was hier wächst, wächst aus dem Zerfall – aus Rissen und Rinden, aus Moos und Vermoderung. Das Holz gibt sich hin, löst sich auf, und die Pilze empfangen dieses Opfer wie eine Gabe. Sie sind Wandler zwischen den Welten, weder ganz tot noch ganz lebendig, Boten des Übergangs.

Aus der Nähe betrachtet offenbart sich eine fremde Geographie: Hügel und Täler einer miniaturisierten Landschaft, in der Zeit anders fließt als in unserer Welt. Hier dauert ein Pilzleben nur Tage, doch das Holz, auf dem er thront, hat Jahrzehnte gesehen. Flechten krallen sich wie uralte Wächter an die dunkle Oberfläche, Moose bilden zarte Polster zwischen den Rissen – Zeugen einer langen, langsamen Geschichte des Verfalls.

Und doch: In diesem Verfall liegt keine Trauer. Die Pilze sind Poesie aus Vergänglichkeit, eine Hymne an den ewigen Kreislauf. Was endet, gebiert. Was stirbt, nährt. Was zerfällt, wird zur Wiege neuer Formen – gekräuselt, gewellt, golden schimmernd im Herbstlicht.

So wird das Ende zum Anfang, der Tod zur Mutter des Lebens, und die Schönheit dieses Moments liegt darin, dass alles im Fluss bleibt – selbst das, was still und reglos auf morschem Holz zu ruhen scheint.

 

Ein Pilz an Baumes Rinde sitzt,
er lächelt und denkt sich verschmitzt:
Die denken, das ist hier das Ende,
nee - nur ´ne ganze, kleine Wende.

Erich Kästner (1899 - 1974)

Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.
Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder.
Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder.
Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt.

Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
Man träumt von Äckern und von Pferdeställen.
Man träumt von grünen Teichen und Forellen.
Und möchte in die Stille zu Besuch.

Man flieht aus den Büros und den Fabriken.
Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund!
Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken
und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken,
wird man gesund.

Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.

(C) 2025 Bilder und Text by Werner