Wilde Schönheit

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alte Gemäuer atmen den Hauch und verströmen den Duft der Geschichte. Das hat mich bei diesem Bild im Kloster Drübeck inspiriert

und zu einem Nachdenken über die Stichworte: Gemäuer, Efeu, Wurzeln, Rose, Mönche, Kloster, Sonne, Grün geführt.

Gedanken zwischen Gemäuer und Grün

Alte Gemäuer erzählen keine Geschichten mit Worten, sondern mit Rissen, mit Schatten, mit dem Klang des Windes, der durch Fugen, Ritzen und zerbrochene Fenster streicht. Sie sind Zeugen der Zeit, nicht laut, sondern beharrlich. Und wenn Efeu sich über ihre Flanken legt, ist das kein Akt der Zerstörung, sondern der Umarmung – als würde die Natur sagen: „Ich nehme dich zurück, aber ich ehre dich.“

Wurzeln, die sich durch Stein graben, sind ein stiller Protest gegen das Vergängliche. Sie erinnern daran, dass Leben sich seinen Weg bahnt, auch dort, wo alles tot scheint. Und mittendrin: eine Rose. Vielleicht gepflanzt von einem Mönch, vielleicht einfach gewachsen, weil die Sonne genau dort ein kleines Fenster ins Licht geöffnet hat. Ihre Blüte ist kein Triumph, sondern ein stilles Gebet.

Das Kloster – einst ein Ort der Sammlung, der Stille, der inneren Einkehr. Heute vielleicht verlassen, aber nicht vergessen. Die Mönche, die dort lebten, haben Spuren hinterlassen, nicht in Stein, sondern im Geist des Ortes. Ihre Schritte hallen nicht mehr, aber die Ruhe, die sie suchten, liegt noch immer in der Luft.

Und dann die Sonne. Sie fällt durch das Laub, malt Muster auf den Boden, wärmt das Grün, das sich ausbreitet wie ein Gedicht ohne Reim. Es ist das Leben, das sich nicht aufhalten lässt. Das Grün ist nicht nur Farbe – es ist Hoffnung, Erneuerung, ein Versprechen.

und dann habe ich noch ein wenig über das Bild meditiert.

Wilde Schönheit – Eine Meditation

atme tief ein.
Spüre den Boden unter dir – fest, alt, durchwoben von Wurzeln, die sich ihren Weg durch Stein und Erde bahnen.

Vor dir ragen Gemäuer auf, vom Efeu umschlungen, vom Wind umweht. Sie sind nicht nur Ruinen – sie sind steinerne, gebaute Erinnerungen.
Jeder Riss, jede verwitterte Linie erzählt von Leben, von Stille, von Hingabe und auch von Mühsal.

Stell dir das Kloster vor, einst erfüllt vom Murmeln und dem Gesang der Mönche, vom Klang der Glocken, vom Duft der Rose, die im Innenhof blühte.
Die Rose – zart und mit ihren Dornen doch trotzig. Ihre wilde Schönheit ist kein Widerspruch zur Wildnis, sondern Teil davon.

Die Sonne fällt durch das Grün, malt Muster auf den Boden, wärmt die Haut, öffnet das Herz, weitet die Sinne und den Blick.
Sie zeigt dir: Auch das Verlassene trägt Licht. Auch das Wilde kennt Ordnung. Auch das Alte birgt neues Leben.

Wurzeln, Efeu, Stein und Blüte – sie sind nicht getrennt. Sie sind ein Ensemble.
Ein Tanz der Zeit, der Wandlung, der stillen Kraft.

Atme aus.
Lass die wilde Schönheit in dir wirken.
Nicht alles muss gezähmt werden, um wertvoll zu sein. Nicht alles muss verstanden werden, um Frieden zu schenken.

 

Die Rose ist dem Efeu 
treu;
doch beide sind nicht
mehr ganz neu.

Der Efeu wurde langsam
matt;
auch Ros´ läßt fallen
Blatt um Blatt.

Im nächsten Jahr mit neuer Kraft
an alter Mauer Neues schafft.

Die Rose - Eugen Roth (1895 - 1976)

Als sich die Rose erhob, die Bürde ihres Blühens
und Duftens zu tragen
mit Lust:
hat sie, dass es der letzte sein würde von ihren Tagen,
noch nicht gewusst.

Nur, dass sie glühnder noch werden müsste,
reiner und seliger hingegeben
dem Licht
spürte sie – ach, dass zum Tode sich rüste
so wildes Leben,
bedachte sie nicht...

Als dann am Abend mit Mühe der Stengel
ihre hin geatmete Süße
noch trug,
hauchte sie, fallend dem kühlen Engel
welk vor die Füße:
„War es genug?“

(C) 2025 Bilder und Text by Werner