Ziele
by wernerpublished on
es passiert manchmal plötzlich und unvermutet, dass man bei einem Spaziergang unvermittelt von einem philosophischen Gedanken regelrecht angesprungen wird. So war es neulich, als wir uns kurz am Strand die Füße vertreten wollten.
eigentlich war alles wie die Tage zuvor. Der ablandige Wind schob die Wolken übers Land dem Meer zu, die Sonne versuchte die Wolkenlücken zu erwischen und hin und wieder schwappte eine müde Welle ans Ufer.
Man trabte durch den Sand so vor sich hin, den Blick in die Ferne gerichtet - und doch stellte sich plötzlich, irgendwie die immer gleiche Frage: Wie weit wollen wir laufen?
Als Ziel wurde dort ein dünner Strich unterhalb der Düne benannt.
Mir kam dabei wieder der unsinnige Spruch: Der Weg ist das Ziel - in den Sinn. Völliger Quatsch, dieser Spruch.
Wenn ich kein Ziel habe, dann irre ich mäandernd durch die Gegend, lege jede Menge Weg zurück ohne irgendetwas zu erreichen. Habe ich ein Ziel, bewege ich mich darauf zu und werde nach einem Weg, der durch das Ziel bestimmt wurde, ankommen. Natürlich gibt es vielleicht auf dem Weg zum Ziel einige Hindernisse, die Änderungen erfordern, aber das Ziel bleibt bestehen. So auch der Pfahl 12 in der Ferne.
Daraus folgt auch, dass man sich im Leben immer und stets Ziele stecken muss (!), die man auf seinem Lebensweg erreichen möchte. Manches Mal kann es passieren, dass einen das Gefühl beschleicht, das falsche Ziel zu verfolgen oder wenn sich durch andere Umstände das Ziel von sich aus ändert. Auf jeden Fall ist mit einem Ziel immer eine bindende eigene Entscheidung verbunden, der man folgt. Natürlich sollte man auch in der Lage sein rechtzeitig zu erkennen, wenn das falsche Ziel verfolgt wird oder das Ziel auf diesem Weg nicht zu erreichen ist. Ebenso ist es eine Kunst, nicht über das Ziel hinaus zu schießen.
Man sieht Ziele sind wichtig. Beim Spaziergang am Strand und im Leben allemal.
Nun stellt sich bei Erreichen eines Ziels zwangsläufig die Frage:
Was jetzt?
Die Antwort ist einfach:
Man steckt sich das nächste Ziel.
Bei unserem Strandspaziergang markierte der Ziel-Pfahl 12 den Wendepunkt mit dem neuen Ziel: Nach Hause.
Im Gegensatz zum platten Strand
folgt Lyrik jetzt aus Bergenland.
An den Andern - Christian Morgenstern (1871 - 1914)
Ich hatte mich im Hochgebirg verstiegen.
Die Felsenwelt um mich, sie war wohl schön;
doch konnt ich keinen Ausgang mir ersiegen
noch einen Aufgang nach den lichten Höhn.
Da traf ich Dich, in ärgster Not: den Andern!
Mit Dir vereint, gewann ich frischen Mut.
Von neuem hob ich an, mit Dir, zu wandern,
und siehe da: Das Schicksal war uns gut.
Wir fanden einen Pfad, der klar und einsam
empor sich zog, bis, wo ein Tempel stand.
Der Steig war steil, doch wagten wir's gemeinsam ...
Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand.
Mag sein, wir stehn an unsres Lebens Ende
noch unterm Ziel, - genug, der Weg ist klar!
Daß wir uns trafen, war die große Wende,
Aus zwei Verirrten ward ein wissend Paar.
(C) 2024 Bild und Text by Werner