Das ÜberraschungsEi

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wochen- und monatelang hört und sieht man nichts von ihm. Kaum sind wir dabei die Ideen für die neue Website umzusetzen - zack - schneit Willi in die Redaktion. Natürlich nicht ohne uns einen Stapel Kontaktabzüge seiner neuesten Entdeckungen auf den Tisch zu legen. Wie selbstverständlich setzt er sich bräsig an den Redaktionstisch, nachdem wir ihm einen extra starken Kaffee kochen durften.

Jedoch wir kennen Willi ja nicht erst seit gestern und wissen daher, dass er neben entsprechenden Bildbeweisen auch die dazugehörigen Recherchenotizen parat hat.

seine neueste Erzählung geht so:

 
Auf meiner Reise durch die Lande, ihr wisst ja, dass ich euch immer nur erstklassiges Material liefere, also auf meiner Reise kam ich neulich an einem relativ kleinem Feld vorbei. In der untergehenden Abendsonne des Frühherbstes leuchteten mir komische eiförmige, orangefarbige Kugeln entgegen. Ich nicht faul - ihr wisst ja, dass ich den Sachen ja immer auf den Grund gehe - stelle mein Fahrzeug ordentlich ab und mache mich die halbe Meile zurück zu Fuß auf zum Acker. Die Kamera hatte ich natürlich schussbereit mit vollem Akku und dem richtigen Glas in der Tasche.

Am Feldrand treffe ich prompt auf einen Menschen, der sich als dem Acker verbundener Bauer identifiziert und der sich durch ein eingängiges Händling mit seinem Trecker als durchaus kompetent für die Feldbearbeitung ausweist. Auf meine Frage, um welch wundervoll leuchtende Feldfrüchte es sich hier handelt, bekomme ich von ihm die Auskunft, dass es sich bei den Früchten um den ersten Freilandversuch zur Erzeugung zuckerfreier ÜberraschungsEier handelt.
Natürlich habe ich, ob dieser Auskunft die Augenbrauen in meiner unnachahmlichen Art leicht angehoben. Der Bauersmann ließ sich jedoch davon nicht beeindrucken und fuhr mit der Erklärung fort.
Vor dem Hintergrund des Marktdrucks und mit Blick auf mögliche EU-Subventionen zur Klimarettung soll die Produktion zuckerfreier, vitaminreicher und nachhaltig verpackter Produkte verstärkt werden. Ziel des Herstellers sei es, gesunde "Quengelware" im Bereich der Supermarktkassen anbieten zu können. In Großbritannien bspw. hat die Einführung einer Zuckersteuer für zuckerhaltige Getränke bereits zu einer erheblichen Änderung des Zuckergehalts bei mehr als der Hälfte der sog. Softdrinks geführt.
Diesem Gedanken folgend, will der international tätige Lebensmittelkonzern, der auf dem Acker seinen Freilandversuch fährt, nun das beliebte ÜberraschungsEi mit einem nachhaltigen und gesunden Labeling mit einem Produkt-Relaunch im Markt etablieren.
Hier musste ich einhaken und fragte den Bauersmann, wie denn um Himmelwillen, die drei bis vier Kilo schweren Eier - manche Exemplare würden es sogar bis auf über acht Kilo bringen - an der Supermarktkasse platziert werden sollen, ohne das Band zu durchschlagen oder die Kasseneinrichtung zu beschädigen.
An diesem Punkt verdunkelte sich der Blick des braven Mannes. Tja, dies wäre genau das zentrale Problem, was bei diesem Versuch herausgekommen wäre. Eigentlich sollten die rein pflanzlichen ÜberraschungsEier tatsächlich etwa in die Größe eines Gänseeies kommen. Nachforschungen zum Wachstumsverhalten hätten allerdings ergeben, dass sich bei der genetischen Kodierung des Saatguts ein klitzekleiner Fehler in die DNS eingeschlichen hätte. 
Im Labor hatte man mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) die Sequenz des Genmaterials dotiert und quasi programmiert. Aber leider, leider, hatte der Laborant für seine Kleinen zuvor das Video "Urmel aus dem Eis" der Augsburger Puppenkiste  heruntergeladen. Einige Snippets des Videocodecs waren im zentralen Speicher verblieben und genau diese Snippets, diese kleinen Codeschnipsel, hatte die KI flink integriert und damit das Gen zur Bestimmung des Eierformats manipuliert. Pech eben.
Ihr könnt euch vorstellen, wie ich den Kopf schräg legte und den Bauersmann von der Seite her anschaute.
Ganz ernsthaft und Gedanken schwer nickte er und bestieg seinen Trecker. Zum Abschied sagte er noch, dass alles auch sein Gutes hätte, denn jetzt könnte er das für ihn kostenfreie Erntematerial jahreszeitlich passend als Halloween-Kürbisse verkaufen. Mit einem Zwinkern startete er den Motor und fuhr winkend vom Acker.

Eigentlich keine schlechte Idee, oder?